28.01.2022
Pflege in der Vergangenheit: Die 60er
Ein weiterer Blick auf die Pflege der Vergangenheit. Im letzten Monat hatten wir gesehen, dass gegen Ende der 50er-Jahre langsam ein Umbruch stattfand, der von der Idee der „Verwahrung“ alter Menschen mehr hin zur Pflege oder Hilfe für ältere und pflegebedürftige Menschen führte.
Der große Meilenstein der 60er-Jahre war dabei gleich 1961 die Einführung des Bundessozialhilfegesetzes.
Das Bundessozialhilfegesetz
Das Bundessozialhilfegesetz, das noch lange in Westdeutschland Grundlage der Altenpflege und (-hilfe) war, bedeutet einen großen Umstieg für die Perspektive auf Hilfe und den „Sozialstaat“. Vor dem neuen Gesetz war die Unterstützung für aus unterschiedlichen Gründen hilfebedürftige Menschen eine Art freiwillige Leistung des Staates – ob jemand die Hilfe auch bekam, hing vom Wohlwollen der zuständigen Stellen ab.
Das neue Gesetz regelte die Hilfen als Recht der deutschen Bürger. Westdeutschland wollte sich – auch in Konkurrenz zur DDR – als Staat verstehen, in dem Rentner oder Arbeitslose und alle anderen, die aus unterschiedlichen Gründen in finanzielle Not geraten sind, erwarten können, nicht abgehängt zu werden.
Pflege wird Beruf
In den 50ern gab es erste informelle Versuche, Pflege durch Ausbildung zu stärken. Lehrgänge oder kleine Einführungen – für Frauen, denen der Beruf vorbehalten war – waren die einzigen (deutschlandweit eher uneinheitlichen) Ausbildungsmöglichkeiten.
In den 60ern wurde Pflege langsam zum Beruf und es wurden Ausbildungsprogramme entwickelt. Der Deutsche Verein für Altenpflege entwickelt allgemeine Richtlinien für diese Ausbildung. Besonders schwierig ist weiter die Abgrenzung zur Krankenschwester. Während die vormals grundsätzlich als überlegen und besser ausgebildet galt, versuchen Verbände die Altenpflege als eigene Disziplin zu etablieren, die nicht nur die „untergeordnete“ Form der Krankenpflege darstellt.
Eine formale Ausbildung wird erst Ende der 60er auf den Weg gebracht – interessanterweise offiziell offen für Männer und Frauen.
Pflege als freiwillige Hilfe?
Auch zur Entwicklung der 60er-Jahre können wir uns aus heutiger Sicht Gedanken machen. Der Perspektivwechsel auf Sozialhilfe als Bürgerrecht wurde – so viel seit vorweggegriffen – in den 90ern teilweise durch die Hartz-Reformen rückgängig gemacht.
In den 60ern wollte ein junges Deutschland, das sich neu ausrichten musste, nicht ausgerechnet gegenüber der DDR als Staat mit weniger Versorgungsansprüchen seiner Bürger dastehen. Die Grundannahme wurde, dass die Gründe für Hilfebedürftigkeit – Alter, Krankheit, familiäre Entwicklungen, Arbeitslosigkeit, … - nicht entscheidend für die Gewährung der Hilfe waren. Das fußt auch auf der Überzeugung, dass ein Großteil der Bedürftigen nicht „freiwillig“ bedürftig ist – wer kann, hilft sich selbst.
Diese Überzeugung bröckelt mit der steigenden Zahl der Bedürftigen. Und heute? Verhandeln wir die Ansprüche auf Hilfen ebenfalls immer neu. Wir müssen uns als Gesellschaft fragen, ob sich wirklich unsere Werte geändert haben, oder diese Werte einfach abhängig von Zahlen sind.