26.07.2024
Pflege mit Herz – wie viel Empathie ist gesund?
In der Pflege wird immer wieder mit Slogan wie „Pflege mit Herz“ geworben. Viele Leute nehmen intuitiv an, dass viel Empathie in der Pflege auch viel hilft oder sogar nötig ist. Auf der anderen Seite gibt es auch die Sichtweise, dass Empathie im Job weniger wichtig ist als Professionalität und Distanz zu Patient*innen gesund hält.
Interessant ist dazu die Studienlage, die tatsächlich gemischt ist: es gibt keine einfache Antwort darauf, wie gut oder schlecht Empathie in der Pflege ist.
Zu viel Empathie macht krank – professionelle Distanz hilft
Erfahrungswerte vieler Pflegeprofis und auch diverse Studien zeigen, dass viel Empathie in der Pflege krank machen kann. Denn Empathie bedeutet, nicht nur die Sichtweise der anderen Person zu erkennen und mit dem Verstand nachvollziehen zu können („Ich verstehe, wieso es schlecht ist, einen Arm zu verlieren.“), sondern diesen vorgestellten emotionalen Zustand auch selbst zu übernehmen („Ich fühle mich ganz schrecklich, weil es so hilflos macht, einen Arm zu verlieren.“).
Besonders fatal ist „zu viel Empathie“, also zu viel selbst-fühlen, was man im anderen sieht, wenn man sich daraus Verpflichtungen baut. Statt nur zu verstehen, wie der andere sich fühlt, sieht man sich selbst in der Pflicht, das Gefühl zu „beheben“ oder Probleme zu reparieren. So brennen Pflegekräfte schnell aus. Es gibt daher sogar die Perspektive, dass Empathie zwar die Arbeitsqualität aus Sicht von Patient*innen verbessert, Gesundheitsexpert*innen selbst aber dadurch stärker belastet werden.
Zu wenig Empathie lässt die Arbeit hohl erscheinen
Wer andersrum zu wenig Empathie hat und sich nur (noch) distanziert, kann aus der Arbeit mit Menschen oft zu wenig Befriedigung schöpfen. Der körperlichen und mentalen Anstrengung steht keine „Belohnung“ gegenüber, weil man keinen Sinn in der Tätigkeit entdecken kann.
Auch losgelöst von diesem „sinnstiftenden“ Mitempfinden macht fehlende Empathie oder innere Distanz, die für Patient*innen spürbar wird, die Qualität der geleisteten Arbeit tatsächlich schlechter. So fehlt auch die abstraktere Befriedigung, seine Arbeit gut zu machen.
Deswegen gibt es auch Studien, die zeigen, dass Empathie bei der Arbeit im Gesundheitswesen notwendig ist, um nicht (oder weniger) krank vom Stress zu werden.
Mitgefühl (steuern) lernen
Wie so oft im Leben gilt es, das passende Mittelmaß für Empathie in der Pflege zu finden. Ein erster Schritt ist das bewusste Erkennen von fremden und eigenen Emotionen: Wo bin ich selbst betroffen, wo empfinde ich „nur“ mit? Weiter geht es mit dem klaren Erkennen der eigenen Aufgabe. Manchmal kann man tatsächlich nicht viel tun, um das Leid einer anderen Person zu lindern – auch wenn die vielleicht sogar diesen Anspruch an einen stellt. Hier kommt das „Abgrenzen“ ins Spiel: nicht einfach von anderen Menschen, sondern von der Idee, für die verantwortlich zu sein.
Wer merkt, dass er im Job zu viel oder zu wenig Empathie empfindet, kann sich in Kursen fortbilden – oder bei Bedarf auch therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, weil „Selbstkontrolle“ keine einfache, sondern eine der größten Herausforderungen ist.