Beatmungspflege: Bloß ein Geschäft?

18.07.2019

Beatmungspflege: Bloß ein Geschäft?

Die Beatmungspflege steht in letzter Zeit immer wieder heftig in der Kritik. In unseren Pflegediensten der ipo Intensivpflege, der AuK Intensivpflege und auch von peggy blue, der Kinderintensivpflege, aber auch im WoKo, den Beatmungs-WGs für intensivpflegebedürftige Patienten lesen wir die Berichte natürlich auch mit Entsetzen. Gerade, wer jeden Tag dafür arbeitet, dass intensivpflegebedürfte Menschen zuhause gut leben können, kann sich die Auswirkung von Fehlern natürlich besonders gut vorstellen.

Umso trauriger, dass viele Berichte alle Pflegedienste über einen Kamm scheren. Ein kleines „manchmal“ oder „oft“ ist zwar manchmal eingeschoben, aber der Grundton der Berichte ist oft: Die Beatmungspflege ist nichts anderes als Geschäftemacherei und alle Beteiligten verdienen auf Kosten der Patienten und ihrer Familien.

Manche oder alle?

Um überhaupt nicht über „alle“ oder „manche“ diskutieren zu müssen, haben wir ein Video-Interview mit einem unserer Patienten gedreht. Artikel, die den Weg in die Intensivpflege als Einbahnstraße in ein trauriges, langes Sterben beschreiben, greifen völlig daneben.

Uns soll es hier aber auch nicht nur darum gehen, „manche“ und „alle“ weiter quantitativ voneinander abzugrenzen. Ohne Frage gibt es schlimme Beispiele und ohne Frage sind schon Einzelfälle zu viel.

Stattdessen wollen wir den Fokus klarstellen, den Artikel und Diskussion gerade haben sollten. Nicht „die Intensivpflege“ sollte in der Kritik stehen, sondern klar verantwortliche Parteien.

Widersprüchliche Vorwürfe an „die“ arme, reiche Intensivpflege

Viele Artikel schaffen es nicht, ihren Fokus auf das System zu legen, das schwarze Schafe überhaupt ermöglicht. Stattdessen werden eine Menge teilweise widersprüchliche Informationen gemischt in den Raum geworfen.

Beispielsweise gibt es Artikel unter Überschriften wie „Das Geschäft mit der Intensivpflege“, in denen beschrieben wird, wie enorm die finanziellen Gewinne sind, die sich „die Intensivpflege“ abschöpft. Praktisch werden dabei Umsatzzahlen von Krankenhäusern genannt. Demgegenüber stehen die Angaben, Pflegedienste könnten ihre Angestellten schlicht kaum über Mindestlohn bezahlen, und würden daher auf illegale Kräfte ausweichen.

Beides ist unfair und hochgradig problematisch. Einerseits, die gesamte Intensivpflegebranche durch Abrechnungsmöglichkeiten von Krankenhäusern zu charakterisieren. Findet diese Abrechnung tatsächlich statt? Welche Kosten stehen ihr gegenüber? Geht der Gewinn, nach Abzug aller Kosten, an die Krankenhäuser, an Ärzte – an das Pflegepersonal auf der Intensivstation? Offene Fragen!

Andererseits aber auch die Behauptung, Pflegedienste könnten gar nicht anders, als illegal unter Mindestlohn zu bezahlen, nicht ausgebildete Kräfte zu beschäftigen oder Mitarbeiter in doppelten Schichten arbeiten zu lassen. Diese Konsequenzen einiger Anbieter zu normalisieren, legitimiert kriminelles Verhalten – die Pflegedienste haben ja keine Wahl.

Die Verantwortung der Berichterstattung

Aktuell ist die Berichterstattung auf das riesige Chaos fokussiert, als das sich die Intensivpflege teilweise präsentiert. Dabei wären Journalisten verpflichtet, in ihrer Recherche Hintergründe aufzudecken.

Neben einigen kriminellen Akteuren – darunter Ärzte, Fallmanager, Pflegedienstbetreiber und Pflegekräfte! – schleichen sich beispielsweise die Krankenkassen oft aus der Verantwortung. Sie sind es, die Druck auf Pflegedienste ausüben, Kosten zu reduzieren. Sie sind es, die keine verbindlichen Standards für alle Pflegedienste festlegen, sondern Angebote nach Preis vergleichen. Das ist ein Fehler im System.

Unnötige Beatmung oder mangelnde Betreuung durch qualifizierte Ärzte liegt nicht in den Händen von Pflegediensten, die verschriebene Leistungen durchführen und erst mal nur Rücksprache mit den betreuenden Ärzten halten können. Dieser Mangel an Fachkräften auch auf Ebene der Fachärzte ist ein Fehler im System.

So lässt sich die Liste weiterführen – und wir werden das Thema sicher noch weiter aufgreifen. Bis dahin beschäftigen wir weiter voll ausgebildete Fachkräfte und bezahlen so gut es uns möglich ist, für wirklich gute Pflege. Denn wir verstehen, dass Pflege eine Mischung aus Beruf und Berufung ist: Ohne gute Bezahlung kann niemand die Energie haben, gute Pflege zu erbringen.