Der neue Pflege-TÜV: Wird jetzt alles besser?

01.04.2019

Der neue Pflege-TÜV: Wird jetzt alles besser?

Mit dem neuen Pflege-TÜV soll für Verbraucher, also Angehörige, alles einfacher werden. Auf einen Blick sollen sie einen guten von einem schlechten Pflegedienst unterscheiden können. Das war auch schon die Idee mit den Noten, die bisher vergeben wurden. Dieses Bewertungssystem hat sich allerdings als fehlerhaft herausgestellt.

Wie Pflegedienste bisher beurteilt wurden

Pflegedienste und Pflegeheime wurden bis jetzt mit Noten bewertet. Diese gab es in unterschiedlichen Kategorien und sie wurden zu einer Durchschnittsnote verrechnet. Diese galten jeweils als Bewertung für den Pflegedienst oder das Pflegeheim.

Ein offensichtliches Problem dabei stellte die Deutsche Stiftung Patientenschutz schnell heraus: So eine Durchschnittsnote ist nicht immer aussagekräftig. Sie ziehen den Vergleich: „Singen eins, Mathe sechs – in der Schule bleiben Sie damit hängen, im Bereich der Pflege erhalten Sie die Durchschnittsnote drei“. Was die Stiftung damit meint: Mathe hat in der Schule mehr Gewicht – und eine Sechs, egal in welchem Fach, führt dazu, dass man sitzen bleibt.

In der Bewertung der Pflegedienste gab es solche Zusatzbedingungen aber nicht: Wenn die hygienischen Bedingungen mit einer fünf beurteilt wurden, aber im Pflegeheim der gute Speiseplan eine eins erhalten hat, gab es die Durchschnittsnote drei: Nicht gut, aber auch nicht dramatisch. Dabei ist eine „fünf“ in Hygiene definitiv katastrophal.

Die Veränderung soll durch den Pflege-TÜV kommen

Eine erste Veränderung durch den Pflege-TÜV soll in der regelmäßigen Bewertung bestehen. Die Pflegedienste werden nicht mehr einmalig beurteilt, sondern immer wieder. Außerdem kommen die Daten aus mehreren unterschiedlichen Quellen: Prüfungen des medizinischen Diensts der Krankenkassen, Berichte der Heimaufsicht und Selbstangaben der Heime werden zusammengeführt. Die „Selbstangaben der Heime“ bestehen aus Zeitreihen für die einzelnen Patienten, in denen ihre Entwicklung festgehalten wird.

Außerdem werden keine Noten mehr vergeben, sondern Bewertungen, die am Durchschnitt orientiert sind: „weit über Durchschnitt“, „etwas über Durchschnitt“, „nah am Durchschnitt“, „etwas unter Durchschnitt“ oder „weit unter Durchschnitt“, außerdem sollen besonders schlechte oder gute Ergebnisse in der Übersicht gleich grafisch sichtbar gemacht werden.

Der Pflege-TÜV wird mit Begeisterung angenommen

Der Pflege-TÜV wird bis jetzt von vielen Seiten als gute Veränderung gelobt: Selbstverständlich steht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dahinter, aber auch viele andere Sprecher aus dem Gesundheitsbereich sind von der neuen Idee überzeugt.

Selbstständige in der Beratung von Pflegeunternehmen kündigen die Veränderungen bereits an und geben Handzettel dazu aus, welche Qualitätskriterien Pflegeheime bald berücksichtigen müssen. Das ist erstaunlich, denn so ausgefeilt ist der Plan noch nicht.

Das neue Konzept kommt aus der Selbstverwaltung und vom Bund der gesetzlichen Krankenkassen. Es wurde kürzlich sogar beschlossen und die ersten Bewertungsdurchläufe sind für November 2019 angekündigt. Eine Veröffentlichung erwartet der GKV zum Frühjahr 2020.

Fragen bleiben offen

Auch wenn der neue Kriterienkatalog mehr Kategorien umfasst, ist das bisherige Problem nicht automatisch gelöst. Ein Umstieg von Noten auf eine andere Skala löst nicht das Problem zu nachgiebiger Benotung.

Insbesondere lässt sich die Beurteilung anhand des Durchschnitts kaum vornehmen, bis der Durchschnitt bekannt ist. Vorrübergehend müssen alle Pflegedienste also zunächst wieder mit Noten oder Punkten beurteilt werden.

Ein weiteres Problem stellt die Prüfungsinstanz selbst dar: Wie Kurt-Michael Walter unter einem Beitrag der Ärztezeitung anmerkt, ist der Begriff „TÜV“ in Deutschland sehr beladen. Er vermittelt ein Vertrauen, dass eine Selbstkontrolle bisher nicht verdient.

Der TÜV selbst muss noch geprüft werden

Erst im Laufe der Zeit wird sich zeigen, ob der TÜV tatsächlich das gleiche Vertrauen verdienen wird, wie andere Prüfsiegel.

Insgesamt ist es wichtig, dass Pflege geprüft wird. Viele schwarze Schafe am Markt sind gefährlich: nicht nur für die Patienten, die sie pflegen, sondern auch für die Pflege durch andere Pflegedienste. Wenn der „Durchschnitt“ durch schlechte Pflegedienste niedrig liegt, sind auch andere nicht mehr angetrieben, sich darüber hinweg zu entwickeln.

Vor allem, weil der Fokus momentan auf Pflegeheimen liegt, ist auch die Frage wichtig, wie der Pflege-TÜV in ambulanten Pflegediensten eingesetzt werden kann. Ambulante Pflegedienste stehen in einer Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen, die zukünftig zumindest mitverantwortlich für die Prüfung sind. Es wird sich unter anderem zeigen müssen, ob diese Einstellung die Verhandlungen beeinflussen wird.

Im Moment bleibt zunächst nur, bis zum Frühjahr abzuwarten.