Kreative Umwerbung: so ändert sich die Pflegearbeitswelt

08.12.2023

Kreative Umwerbung: so ändert sich die Pflegearbeitswelt

Der Mangel an Pflegefachkräften zeigt Auswirkungen auf die Art, wie Pflegekräfte umworben werden. Viele Arbeitgeber versuchen kreativ zu werden: von Anwerbung bis Bonusangeboten.

Anwerben im Zug: Bewerbungsexpress

Die asklepios-Gruppe beispielsweise mietete im Oktober einen alten Zug, um damit an verschiedenen S-Bahnhaltestellen in Berlin Schüler*innen und andere Passant*innen für eine Ausbildung in der Pflege zu gewinnen – beziehungsweise schon ausgebildete Fachkräfte für eine Stelle bei Asklepios. Die Veranstalter bewerteten das Event als vollen Erfolg mit Wiederholungspotenzial.

So ganz klar ist natürlich weder der Zusammenhang zwischen Zugfahrten und einer Pflegeausbildung, aber die Grundidee bleibt valide: Interessent*innen da abholen, wo sie sowieso sind. Und Interesse wecken, wo bis jetzt keins ist.

Erleichtertes Leben rund ums Arbeiten: Wohnungen für Pflegekräfte

International angeworbene Pflegekräfte, die für die Berliner Charité arbeiten, können jetzt auch im von der Charité angemieteten Gebäude leben. Damit wird gerade im „umkämpften“ Wohnungsmarkt in Berlin der Stress der Wohnungssuche eliminiert, der für Immigranten immer noch mal härter ist als für diejenigen, die schon in Deutschland leben.

So ein Vollangebot von Arbeitgeber*innen bindet natürlich auch, gerade Arbeitskräfte aus dem Ausland, die schon für ihren Aufenthalt selbst auf die Charité angewiesen sind.

Trotzdem zeigt sich auch hier eine Idee, wie der Arbeitsmarkt in einer Brnache aussehen kann, in der der Fachkräftemangel so bedrohlich ausartet wie in der Pflege: Pflegedienste und Krankenhäuser müssen mehr als bloß Arbeitsstellen anbieten und sich auch um das sonstige „Leben“ ihrer Mitarbeiter*innen kümmern.

Flexibilität ganz bewusst erhöhen: Eigener Springerpool

Die Diakonie Ruhr setzt zukünftig auf einen eigenen Springerpool, um nicht auf externe Leiharbeitskräfte zurückgreifen zu müssen. Die Springer*innen wiederum profitieren von Vorteilen wie höherem Gehalt und individuell gestaltetem Dienstplan im Austausch für mehr Flexibilität dabei, wo die Dienste stattfinden.

Wer also offen für oder sogar auf der Suche nach viel Abwechslung ist, kann im Springerpool aufblühen. Dabei werden neue Mitarbeiter*innen auch in den jetzt öfter präsenten innerstädtischen Präsenzstellen der Diakonie umworben.

Eine Aufteilung der Arbeitszeitmodelle in mehrere Gruppen kann eine Änderung für die Pflege sein, die mehr Angebote für verschiedene Lebenslagen enthält. Viele Pflegedienste werden flexibler darin, welche Arbeitsbedingungen sie mit ihren Angestellten vereinbaren. Vorgeschnürte „Pakete“ machen es aber für Interessierte einfacher, das Angebot zu verstehen und mit ihrer Situation und ihren Bedürfnissen zu vergleichen.

Weniger Arbeit, weniger Geld: Entlastung durch bewusste Änderungen

Die Idee ist einfach: die hohe Belastung in der Pflege bedeutet, dass die Arbeitszeit, die jemand erbringt, immer auch eine intensive Arbeitszeit ist. Um dieses Problem anzugehen, gibt es zwei sehr unterschiedliche Ansätze aus Krankenhäusern.

Am Klinikum Westfalen bekommen Mitarbeitende die Chance, sich auf ein „Mehr Freizeit, weniger Gehalt“-Modell zu bewerben. Zusätzlich zum normalen Urlaubsanspruch sind planbar Feier- und Brückentage frei, die als weitere Urlaubstage gewertet werden. Die Mitarbeitenden erhalten dann im Gegenzug 13 % weniger Gehalt. Um die Erleichterung können sich alle Mitarbeitenden bewerben, sie werden aber nach sozialen Kriterien (und der Machbarkeit in der konkreten Position) ausgewählt.

Anders geht das Klinikum Fürth vor: hier wird eine 4-Tage-Woche für OP-Mitarbeitende beworben. Dabei sollen die Schichten an den vier Tagen länger werden, um auf die gleiche Arbeitszeit wie bisher zu kommen.

Der „Haken“: die Maßnahme soll vor allem ausgleichen, dass auch in einer 5-Tage-Woche bereits vor allem sehr viele Überstunden auflaufen und der Ausgleich dann ausbezahlt werden muss (was der Idee von angemessenen Pausen und Entlastung der Mitarbeitenden widerspricht) oder durch schlecht planbare Urlaubstage ausgeglichen wird.

Neu über Arbeitszeiten nachzudenken ist nicht nur für die Pflegebranche ein Thema, aber gerade hier bietet sich für alle Betriebe an, die Verteilung von Schichtdiensten noch mal mit offenen Augen neu anzugehen.