„Neue“ Ideen von Karl Lauterbach: Wie wäre es mit neuen Pflegeformen?

05.04.2024

„Neue“ Ideen von Karl Lauterbach: Wie wäre es mit neuen Pflegeformen?

Karl Lauterbach positioniert sich mit vermeintlich revolutionären Gedanken zur Pflege: wieso nicht einfach mal anders über Pflege nachdenken? Seine Idee: Pflegewohnungen - und man weiß nicht, wo man hier die Anführungszeichen setzen muss: „seine“ oder „Idee“?

Denn das neue Konzept, der „grundlegend neue Ansatz“ sind Pflegewohnungen. Dabei sollte man nicht an Pflege-WGs denken, sondern an eine „Vision“: Pflege, die nicht so richtig stationär und nicht so richtig ambulant ist. Also nicht so richtig Pflegeheim – aber eben auch nicht allein in individuellen Wohnungen.

Wieso kommt uns die Idee bekannt vor?

Das Konzept, die Vision, die Wiederholung

Unter dem Portemanteauwort „stambulant“ (dessen frühester von Google Trends verzeichneter Hochpunkt 2007 sicher nicht die Schöpfungsgeschichte des Begriffs abdeckt) wird eine vermeintlich neue Versorgungsidee beschrieben: wie wäre es, wenn mehrere pflegebedürftige Menschen nah beieinander wohnen würden, aber sich dabei keine Wohnung, sondern „nur“ ein Haus teilen? Jede*r also in einer eigenen Wohnung, aber eben so zusammen, dass die Pflege einfacher und vor Ort ablaufen kann?

Insbesondere soll das neue Konzept im Pflegekompetenzgesetz unterkommen, also mit neuen rechtlichen Rahmenbedingungen die Möglichkeiten der großen Vision realisierbar machen.

Das Problem? Die Konzepte existieren – nicht nur unter dem Begriff „stambulant“ gut vermarktet als Protoprojekt in Baden-Württemberg, sondern auch in verschiedenen Teilen Deutschlands in ganz unterschiedlichen Konstellationen.

Beispiele für alternative Pflege-Organisation

Wir haben hier zuletzt erst im Juni 2023 darüber berichtet, dass „Pflege-WGs“ eine echte Alternative für die Angebote der bisher ambulanten Pflege sein könnten – insbesondere, weil sie einen Mittelweg gehen. Dabei haben wir unter anderem betont, dass es eben momentan an der Förderung durch Pflegegesetze fehlt und die WGs, in denen sich Pflegebedürftige zusammenschließen, weder von besonderer Förderung für ambulante (Einzel-)Pflege profitieren können, noch als (stationäre) Pflegeheime gelten können.

Schön wäre es ja, wenn das neue Gesetz solche Projekte unterstützen würde. Die Chancen darauf stehen allerdings schlecht, wenn die Lösung (Vision!), die Herr Lauterbach nun präsentieren möchte, etwas darstellen soll, dass es so bisher in Deutschland nicht gibt. Denn Pflege-WGs gibt es.

Es gibt auch – nicht nur in Baden-Württemberg – bereits einige Projekte, die beispielsweise zwischen Wohnungsgenossenschaften und Pflegediensten organisiert werden. Selbst in Wanne-Eickel gibt es so beispielsweise bereits eine Senioren-Wohngemeinschaft für Pflegebedürftige mit Demenz. Das Projekt beinhaltet Lösungen und Ideen für Paare, deren Zimmer durch eine Tür verbunden sein können – oder die Anmietung von Apartments/Wohnungen im direkten Umfeld der WG, wenn einer von beiden weiterhin selbstständig leben kann und will.

Das Konzept „Marketing“ im Gesundheitsministerium

Karl Lauterbach setzt einen Trend fort, den Jens Spahn schon ausführlich begründet hatte: Reformen in kleinen Paketen, deren Impact maßlos übertrieben dargestellt wird. Dabei geht es verdächtig häufig um einen Personenkult des „Visionärs“ oder des „wissenschaftlich“ arbeitenden Ministers – statt Lösungen für eine Branche.

Immer noch fällt auf, wie sehr die Pflegebeauftragte aus der Diskussion ferngehalten wird – während sie von Anfang an diejenige war, die sich mit Pflegekräften selbst statt ausschließlich „Branchenvertreter*innen“ austauschte.

Wir sind also gespannt, was die „Verankerung der neuen Pflegeform“ im Pflegestärkungsgesetz nun bedeuten wird, wenn es in der Realität angekommen ist.