Neue Richtlinie zur Intensivpflege

14.01.2022

Neue Richtlinie zur Intensivpflege

Am 19. November 2021 gab der gemeinsame Bundesausschuss bekannt, dass er eine neue Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege erarbeitet hat. Aus der Pressemitteilung des GB-A lässt sich leicht herauslesen, dass die Umstände von den Beteiligten nicht sehr begrüßt wurden – statt verlässlicher gesetzlicher Regelungen hat sich die Gesetzgebung auf viele Positionen zurückgezogen, die von Interessenverbänden und dem GB-A lieber anderswo geregelt worden wären und hat dafür die Entscheidung über andere zu regelnde Aspekte der ambulanten Intensivpflege einer „Richtlinie“ überlassen, die in kürzester Zeit ausgearbeitet werden und gleichzeitig auf eine Vielzahl von Patienten und Patientinnen mit unterschiedlichen Perspektiven angepasst werden musste.

Der Hintergrund der Regelungen

Im letzten Jahr wurde das sehr umstrittene Gesetz zur „Stärkung“ von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Damals gab es bereits vorab heftige Proteste von Betroffenen und Verbänden, die in der Entwicklung eher eine Abschiebung aller intensivpflegebedürftigen Patienten in Heime erkennen konnten. Auch Gesundheitsminister Spahn gab sich alle Mühe, alle Betroffenen über einen Kamm zu scheren: Ob Kind oder Rentner, kurzfristig erkrankt oder langfristig auf Beatmung angewiesen – mit pars pro toto Beispielen von Wach-Komapatienten argumentierte Spahn für starke Entmündigung der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

Als Argument für diese Entmündigung wurden die schwarzen Schafe der Intensivpflege herangezogen – Kriminelle, die im Bereich der Intensivpflege Patienten unterversorgen und zu viele Leistungen abrechnen. Insbesondere das Schreckgespenst der unnötig langen Beatmung ist dabei zum Dreh- und Angelpunkt vieler Diskussionen geworden und die „frühstmögliche Entwöhnung“ wird als neues Allheilmittel verkauft, das – obwohl wir beispielsweise diese Perspektive selbstverständlich schon immer in der ambulanten Intensivpflege und unseren Wohnkonzepten umsetzen – nach Darstellung von Spahn und Co quasi nur in Pflegeheimen wirksam praktikabel sei.

Dass die Gesundheit von intensivpflegebedürftigen Patienten und Patientinnen in der ambulanten Intensivpflege regelmäßig besser ist als in Pflegeheimen, bleibt dabei außen vor.

Die neue Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege des G-BA

Die neue Richtlinie enthält insbesondere eine Auswahl von Therapieleistungen für die Intensivpflege. Die Neuerung, die der G-BA betont, besteht dabei vor allem in einem stärkeren Fokus auf die erwähnte Möglichkeit der Entwöhnung. Bereits „sehr früh“ soll regelmäßig geprüft werden, ob die Beatmung weiterhin notwendig ist.

Wichtig ist außerdem, dass der G-BA selbst eine Frist von vier Jahren für eine erste Evaluation des Erfolgs der neuen Richtlinie gesetzt hat. So soll möglichst kurzfristig überprüft werden, ob die Regelungen tatsächlich greifen, oder nicht. Auch daraus spricht die Skepsis der Mitglieder des G-BA.

Keine Überzeugungstäter

Professor Josef Hecken, der unparteiische Vorsitzende des G-BA, äußerte sich beispielsweise eher unzufrieden mit der Entscheidungskompetenz des G-BA bezüglich Regelungen für Beatmungs-WGs: „Der G-BA hätte sich deshalb gewünscht, in seiner Richtlinie auch qualitätssichernde Vorgaben zu pflegerischen, technischen und baulichen Anforderungen an die neuen sogenannten Wohneinheiten machen zu können, in denen beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten betreut werden. Diese Regelungskompetenz haben wir auch im Gesetzgebungsverfahren gefordert, der Gesetzgeber hat aber diesem Wunsch nicht entsprochen. Diese Anforderungen sollen künftig über Rahmenempfehlungen festgeschrieben und in Verträgen verankert werden. Qualitätsanforderungen für betreuende Ärztinnen und Ärzte durfte der G-BA jedoch sehr wohl regeln. Mit dieser Widersprüchlichkeit zwischen dem Auftrag, bedarfsgerechte Regeln zu definieren, und dem engen zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum musste der G-BA umgehen.“

Dass solche Empfehlungen, Rahmenverträge oder Vereinbarungen im Allgemeinen nicht immer zum gewünschten Ergebnis führen, konnten wir schon an der schleichenden Einführung des Tarifvertrags in der Pflege sehen: Entgegen aller Bestrebungen wurden gerade die Pflegedienste benachteiligt, die schon vor Eintritt der Pflicht tarifgerecht bezahlen.

Was die neue Richtlinie bringt, bleibt abzuwarten. Die Mitglieder des Ausschusses haben selbst Zweifel. Die Pressemitteilung des G-BA zitiert Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Veranlasste Leistungen, mit ihren Bedenken:

„Der G-BA stand vor einer eigentlich unmöglich zu lösenden Aufgabe: Er sollte in einem extrem knapp bemessenen Zeitrahmen den neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege regeln, differenziert und bedarfsgerecht für eine sehr heterogene Patientengruppe.“

Geltung der neuen Richtlinie

Die neue Richtlinie bildet „nur“ die Grundlage der Rahmenverordnungen, die erst ausgearbeitet werden können, wenn die Richtlinie veröffentlicht wurde. Deswegen rechnet der G-BA nicht damit, dass neue Regelungen vor 2023 gültig werden können.