21.06.2024
Schulfach „Gesundheit und Pflege“
Im Kontext der stetigen Diskussion um fehlende Pflegekräfte schlug der deutsche Pflegerat zuletzt auch vor, ein Schulfach „Gesundheit und Pflege“ einzuführen. Ziel wäre, Pflege schon früh ins Bewusstsein aller Menschen in Deutschland zu bringen.
Denn wie wir bereits in einem früheren Blog-Artikel berichteten: Pflege ist nicht erst im Alter Thema, sondern betrifft sehr viele Menschen. Das soll keine „Überraschung“ mehr sein.
Keine konkreten Pläne
Es gibt aktuell keine konkreten Pläne zur Einführung dieses Schulfachs und dazu, wer Pflege und Gesundheit „lernen“ soll: Kinder oder erst Jugendliche? Soll das Fach verpflichtend sein oder eine Wahlmöglichkeit?
Schon jetzt gibt es Schulen, beispielsweise die Martin-Luther-Schule in Iserlohn, die Pflege als Schulfach anbieten. Hier ist „Pflege“ eine Alternative zu anderen Vertiefungen wie Informatik oder Wirtschaftslehre.
Beim Blick auf die Fächerpalette fällt auf: auch in diesen Bereichen gibt es immer wieder Vorstöße, sie „verpflichtend“ zu machen. So könnte man sich – in der Theorie – als Land die zukünftigen Informatiker*innen, Wirtschaftsexpert*innen und jetzt auch Pflegekräfte früh ausbilden.
Was könnte Pflege als Schulfach leisten?
Bis jetzt ist es bei all diesen Fächern aber immer bei der Stärkung von Wahlpflichtoptionen geblieben. Vielleicht wird es der Pflege auch so ergehen. Auffällig im Bericht der Martin-Luther-Schule: zumindest 2020 waren es hauptsächlich Mädchen, die das Fach Pflege wählten. Die Schule bietet ihnen sonst hauptsächlich Alternativen aus dem Bereich der MINT-Fächer.
So oder so würde vermutlich auch das Schulfach Pflege nicht plötzlich reihenweise Schüler*innen konvertieren und in den Fachbereich schleusen. Aber es könnte mehr Bewusstsein fürs Thema schaffen, Schüler*innen darauf vorbereiten, selbst betroffen zu sein oder Angehörige zu pflegen – und Diskussionen zum Thema mit Empathie und Verständnis für alle Betroffenen anzugehen.
Wenn Pflege Schulfach für alle wäre, würde das vielleicht Geschlechtergrenzen überbrücken. Und vielleicht könnte man auch mit verbreitenden Vorstellungen aufräumen, die den Beruf betreffen?
Pflege als Thema in Schulen
Pflege ist komplex – nicht umsonst ist die Ausbildung in vielen Ländern ein Studium und wird auch in Deutschland akademisiert. Deswegen wäre eine Alternative zur Einführung eines weiteren Schulfachs oder Wahlfachs auch die Verankerung des Themas in den Lehrplänen anderer Fächer.
Sozialwissenschaften, Politik, Biologie – all diese Bereiche sind unmittelbar „nah dran“ am Thema Pflege. Das Bewusstsein dafür könnte man eine Generation früher starten – bei den Lehrer*innen, die heute vermitteln sollen, wieso ihr Fach später garantiert relevant wird. Mathelehrer*innen könnten sich da beispielsweise an den Zahlenspielen des Gesundheitsministers versuchen und die Manipulation der Diskussion mit falsch gerundeten Zahlen aufdecken (siehe „rund 50 000“ statt 60 000). In Informatik können Algorithmen behandelt werden, mit denen Pflegekräfte auf Stellen verteilt werden. Und im Sportunterricht findet sich sicher Platz für die Feststellung, dass es anstrengend sein kann, das Gewicht eines anderen Menschen zu stützen.
So eine Verankerung des Wissens in der Gesellschaft wäre sicher eine produktive Alternative zum Wahlfach Pflege, für das erst mal Lehrer*innen ausgebildet werden müssten.