26.02.2021
So hoch waren die Rückforderungen der Krankenkassen wegen Fehlverhalten – auch in der Pflege
Immer über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg fassen die Krankennkassen ihre Rückforderungen zusammen. Die Beträge, die wegen „Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ zurückgefordert werden, steigen seit Jahren.
Insgesamt forderte die AOK beispielsweise für den Zeitraum 2018/2019 rund 37 Millionen zurück – rund 10 Millionen mehr als 2016/2017. Zum Vergleich war der Betrag von rund 50 Millionen, die 2016/17 insgesamt von den Krankenkassen zurückgefordert wurde, bereits um 17 % höher als die Forderungen im Zeitraum zuvor.
Ein Grund für die immer weiter ansteigenden Beträge ist die in den letzten Jahren intensiver gewordene Verfolgung. Einige Bundesländer haben spezielle Staatsanwaltschaften oder Kripobereiche eingerichtet, die sich mit der Problematik befassen.
Weil die häusliche (ambulante) Pflege immer wieder den größten oder zweitgrößten Posten ausmacht, beschäftigen auch wir uns mit dem Thema.
Was ist „Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ und speziell in der Pflege?
Krankenkassen erstatten Kosten für Behandlungen und beispielsweise Pflegeleistungen. Einen weiteren großen Posten machen Arznei- und Verbandmittel aus. All diese Kosten werden nach dem System erstattet, dass die meisten von uns kennen: Eine Leistung oder ein Hilfsmittel ergibt sich aus einer ärztlichen Verordnung. Dann rechnen Dienstleister oder Apotheken mit den Krankenkassen ab.
Fehlverhalten in diesem Bereich bedeutet vereinfacht, dass entweder (fahrlässig) geschludert wird oder jemand bei der Abrechnung lügt oder betrügt.
Insgesamt umfasst das Ärzte, die falsche Rezepte oder Atteste ausstellen, Apotheker, die bei der Abrechnung von Mitteln schummeln, Therapeuten, die Leistungen abrechnen, die nie erbracht wurden, oder sogar Fitnessstudios, die ihre Kunden dazu bringen, Präventionskurse anzumelden, die nie stattgefunden haben.
In der häuslichen Pflege teilen sich Fälle unterschiedlich auf. Auch hier gibt es falsch abgerechnete Hilfsmittel. Betrüger setzen aber eher auf andere Methoden: Entweder sie rechnen nie erbrachte Leistungen ab oder fälschen Qualifikationen.
Wie Betrug in der Pflege auffällt
Betrug in vielen Bereichen fällt auf, weil einzelne Sachbearbeiter misstrauisch werden oder auch Kunden sich an ihre Krankenkasse wenden, weil sie auf Betrug aufmerksam werden. Im Fall von Betrug durch Ärzte oder Therapeuten sind Patienten oft mit in die falschen Abrechnungen verstrickt und profitieren durch günstigere Preise für andere Leistungen.
Die von der AOK im Bereich Pflege aufgeführten Beispiele beschreiben aber eher großangelegte Betrugsversuche: Im Tätigkeitsbericht für 2018/2019 finden sich zwei Beispiele von Betrügern, die 1,6 und 3,6 Millionen der insgesamt 12,69 Millionen Schäden aus dem Bereich der häuslichen Pflege verursacht haben.
Ein Betrüger eröffnete mehrere Intensivpflegedienste, ohne selbst entsprechend qualifiziert zu sein oder qualifizierte Fachkräfte zu beschäftigen. Dazu fälschte er Führungszeugnisse, Qualifikationszeugnisse und seine Berufsurkunde.
Der größere Betrag der 3,6 Millionen geht auf den organisierten Abrechnungsbetrug einiger speziell dazu aufgebauter Pflegedienste zurück, die sich bundesweit aufgebaut hatten.
Schwarze Schafe und ihre Konsequenzen
Betrüger im Gesundheitswesen richten in den meisten Fällen vorwiegend finanziellen Schaden an – wer Geld für nie erfolgte Leistungen erhält, kostet die Versicherten Beiträge.
In einigen Fällen sind die Gefahren aber wesentlich größer und die Folgen schwerwiegender. Neben der Verstrickung in zweifelhafte Machenschaften wird oft auch die Gesundheit von Patienten riskiert.
Ohne ausreichende Qualifikation einen Intensivpflegedienst zu betreiben, ist Körperverletzung.
Solche schwarzen Schafe sind es, von denen die Rede ist, wenn das Gesundheitsministerium von Problemen in der ambulanten Intensivpflege spricht und den vielen Problemen. Aber:
Über die Relation zwischen Rückforderungen und Ausgaben
12,69 Millionen, die durch Betrugsfälle und Fehlverhalten in der Pflege der AOK verloren gegangen sind, sind natürlich eine hohe Summe. Aber in welchem Verhältnis stehen sie zu den Gesamtausgaben?
ALLE von den Krankenkassen 2016/17 zurückgeforderten Beträge (50 Millionen) machten in diesem Zeitraum etwa 0,1 % der Gesamtausgaben allein für die stationäre Pflege (37,3 Milliarden) aus (nach Bericht des Bundesgesundheitsministeriums).
Selbst wenn alle Fehlverhalten auf die Intensivpflege zurückzuführen wären, und alle Ausgaben für die ambulante Pflege ebenfalls in die Intensivpflege flössen, ginge es also in den Debatten darum, dass von 1000 betreuten Patienten einer von Betrügern ausgenutzt wird.
Vor diesem Hintergrund scheint die Argumentation für weniger häusliche Intensivpflege noch zynischer: Auch die Krankenkassen plädieren schlicht für wesentlich bessere Kontrollen aller Anbieter im Gesundheitsbereich.