Pflege-Tarifvertrag durch die Politik-Hintertür?

04.06.2021

Pflege-Tarifvertrag durch die Politik-Hintertür?

Die Durchschnittslöhne in der Pflege sind problematisch – das haben wir letzte Woche berichtet. Auch dass der Tarifvertrag eine Lösung darstellen könnte, haben wir bereits berichtet. Und, dass er am Veto der Caritas und der Enthaltung der Diakonie vorerst gescheitert ist.

Wir haben auch im Blog bereits berichtet, welche negativen Auswirkungen die aktuelle Freiheit der Krankenkassen hat. Sie scheinen die Pflegedienste zu bevorzugen, die billiger sind, weil sie nicht nach Tarifvertrag bezahlen.

Jetzt kommt der Tarifvertrag vielleicht durch die politische Hintertür – im positiven Sinn. Der Plan der großen Koalition ist, die Krankenkassen zu verpflichten, nur Pflegedienste zu beauftragen, die auf dem Niveau des Tarifvertrags bezahlen – ob der unterzeichnet wurde oder nicht.

Entscheidung im Paket

Gesundheitsminister Spahn, der sich gern öffentlichkeitswirksam präsentiert, hat die bereits vorher in der Koalition diskutierten Maßnahmen zur Sicherung des Tariflohns jetzt an das geplante (und umstrittene) Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung.

Das bringt Spahn gleich zwei Vorteile: Er bewegt mit Außenwirkung tatsächlich mal etwas für die Pflege, und er kann das restliche Gesetz eher durchboxen. Für die Pflege kann man gespannt sein, welche tatsächlichen Folgen das Gesamtpaket des Gesetzes haben wird.

Nicht ohne: Spahns Add-On

Leider arbeitet Herr Spahn in diesem Bereich auch aktiv weiter an seinem Feldzug für die Verlagerung der Pflege in Heime. Er setzt sich eben nicht nur für eine gute Bezahlung für alle pflegenden ein, sondern insbesondere dafür, dass alle Pflege in (irgendwann billigeren) Gruppen stattfindet.

Die Verlagerung in Heime soll gefördert werden durch den Gesetzesentwurf, der vorsieht dass die Kosten für die Pflege im Heim zu größeren Teilen aus Steuergeldern bezahlt wird.

Auch hier ist die Zukunftsvision leicht zu erkennen: Die ambulante Pflege wird geschwächt und abgebaut und damit zu einer Alternative für besonders wohlhabende Patienten, die neben der Pflege auch ihre Miete selbst bezahlen können. Die aus Steuern finanzierte Pflege im Heim ist dann irgendwann für die meisten alternativlos – und wie lange die finanzielle Unterstützung der wesentlich teureren Heimunterbringung aus Steuergeldern bereitsteht, steht in den politischen Sternen.